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Unternehmen im einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum: Business as usual?

Rede von Gertrude Tumpel-Gugerell, Mitglied des Direktoriums der EZB„Podiumsdiskussion: Cash Management in 20 Jahren“ auf dem 20. Finanzsymposium17. April 2008, Mannheim

1. Einleitung

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Ich freue mich sehr, heute am 20. Finanzsymposium, zu dem Vertreter einiger der wichtigsten Unternehmen Europas zusammenkommen, teilzunehmen. Das Hauptthema dieser Session sind die weit reichenden Veränderungen, die in den letzten Jahren in der Finanzbranche zu beobachten waren, und die Veränderungen, mit denen in den kommenden zwei Jahrzehnten zu rechnen sein dürfte.

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Nach vielen Jahren der wirtschaftlichen und finanziellen Integration möchte ich heute ein Thema ansprechen, dem von Unternehmensseite bislang noch keine allzu große Beachtung geschenkt wurde: die Integration des Marktes für Massenzahlungen. Lassen Sie uns in dieser Podiumsdiskussion vielleicht gemeinsam überlegen, inwiefern sich die jüngsten Entwicklungen im Zahlungsverkehr positiv auf Ihre Geschäfte auswirken.

Seit Einführung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (SEPA) im Januar dieses Jahres heißt es nicht mehr einfach „business as usual“. Durch SEPA wird ein einheitlicher europäischer Marktplatz geschaffen, von dem die Unternehmen in erheblichem Maße profitieren können.

Das SEPA-Projekt bringt eine weitgehende europaweite Harmonisierung der Zahlungsinstrumente für Euro-Zahlungen mit sich.

Im Januar 2008 hat die Bankengemeinschaft die SEPA-Überweisung und ein Regelwerk für Kartenzahlungen erfolgreich eingeführt. Ende nächsten Jahres wird die SEPA-Lastschrift folgen. Der neue einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum ermöglicht es Kunden, Zahlungen überall im Eurogebiet so schnell, sicher und einfach wie nationale Zahlungen zu tätigen. Innerhalb von SEPA gelten alle Euro-Zahlungen als inländische Zahlungen und erfolgen unter Nutzung einheitlicher Zahlungsinstrumente.

Mit den vielen neuen Möglichkeiten, die sich durch die SEPA-Einführung eröffnen, leistet SEPA auch einen wichtigen Beitrag zum europäischen Binnenmarkt, da der einheitliche Euro‑Zahlungsverkehrsraum sowohl Wettbewerb und Innovationen fördern als auch die Bedingungen für Kunden verbessern wird. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf eine kürzlich veröffentlichte Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen von SEPA aufmerksam machen, die die EZB in enger Zusammenarbeit mit einer Anzahl europäischer Banken durchgeführt hat.

Die Studie zeigt eindeutig, dass es auf das Wechselspiel zweier Kräfte ankommt. Zum einen wird ein verstärkter Wettbewerb durch den Wegfall grenzüberschreitender Hindernisse die Ertragslage der Banken bestimmen. Zum anderen werden sich in einem elektronischen und vollautomatisierten SEPA-Umfeld auch Effizienzgewinne und Kostensenkungspotenziale für Banken einstellen.

Die EZB-Studie reflektiert auch die Erwartungen der Banken, dass zukünftig verstärkt alternative und innovative Zahlungsalternativen zu Bargeld genutzt werden. [1]

Wir von der EZB und den nationalen Notenbanken wollen besser integrierte Finanzmärkte und wir tun einiges dafür. Die öffentliche Hand ist dafür verantwortlich, einen angemessenen Rahmen für eine solche finanzielle Integration zu schaffen: Gesetze und Regeln für grenzüberschreitende Transaktionen, sodass die gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen für alle Marktteilnehmer gewährleistet sind. Die Verabschiedung der Zahlungsverkehrsrichtlinie 2007 war ein wichtiger Schritt in diesem Zusammenhang, erfordert aber noch die Umsetzung in nationales Recht.

Auswirkungen des SEPA

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Im Zusammenhang mit SEPA ist mit substanziellen Auswirkungen zu rechnen. In einer aktuellen, für die Europäische Kommission durchgeführten Studie [2] wird die Erwartung geäußert, dass Kunden und Banken vom SEPA profitieren werden. Die Vorteile werden sich mit möglichen Gewinnen in Höhe von 123 Mrd EUR beziffern lassen (kumuliert über sechs Jahre betrachtet geschätzt). Allerdings weist die Studie auch klar darauf hin, dass – sollten Beteiligte sich einer Umsetzung des SEPA verweigern und sollte die Migration zum SEPA nicht rechtzeitig und umfassend erfolgen – mit geringeren Vorteilen für Kunden und Banken zu rechnen sein wird und dass die Unternehmen letztendlich sogar Verluste verzeichnen könnten – zum Beispiel wenn die Beteiligten im Fall einer langsamen Migration parallele Systeme betreiben müssen.

Für Unternehmen wird sich der SEPA vor allem in drei Bereichen auswirken:

  • Zunächst wird SEPA Zahlungen vereinfachen; denn Unternehmen können für ein- und ausgehende Euro-Zahlungen europaweit dieselben Instrumente und Strukturen verwenden, die auf den jeweils aktuellsten internationalen Standards basieren. Es ist mit einer wettbewerbsfähigen Preisgestaltung zu rechnen, und die Dienstleistungen werden durch den Wettbewerb auf gesamteuropäischer Ebene verbessert.

  • Zweitens schafft SEPA mehr Klarheit und wird es den Unternehmen ermöglichen, ihre Liquidität kostengünstiger und schneller zu steuern und zu übertragen. SEPA schafft Klarheit in Bezug auf die Zeitgestaltung für Bearbeitungszyklen von Zahlungen und möglichem Widerruf. Beispielsweise werden Unternehmen im SEPA die maximale Bearbeitungsdauer von Zahlungen kennen sowie die Höchstdauer, innerhalb derer Kunden Lastschriften innerhalb Europas rückgängig machen können.

  • Drittens werden weitere Standards geschaffen, um Abläufe zu optimieren und bessere Schnittstellen zwischen den Finanzmanagementsystemen der Unternehmen (d. h. den sogenannten „Enterprise Resource Planning-Systemen“) und den von Banken betriebenen Systemen zu ermöglichen. Dank neuer Standards können kontobezogene Informationen effizienter verarbeitet werden. Im SEPA erhalten Unternehmen zusätzliche Informationen in ihren Bankauszügen.

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Lassen Sie mich nun zu dem konkreten Beitrag der Unternehmen kommen, damit es zu einer erfolgreichen Umsetzung und Realisierung von SEPA kommen kann.

  • Erstens müssten die Unternehmen eine Migration ihrer Datenbanken vornehmen, die noch nationale Kontonummern enthalten, um die internationalen Kontonummern einzuführen. In den meisten Ländern des Euroraums wurde ein Migrationsverfahren vereinbart, das die Unternehmen unterstützen soll. [3]

  • Zweitens müssten die Unternehmen die Banken kontaktieren, um die Vorteile, die SEPA für sie mit sich bringt, besser bewerten zu können. Von Bankenseite wird kommuniziert werden, wie Produkte und Zahlungszyklen verbessert werden können, doch Sie können Ihre Provider auch direkt im Hinblick auf bessere Produkte kontaktieren.

  • Drittens könnten die Unternehmen weiter im Voraus planen. Mehrere Initiativen sind in Vorbereitung, welche Verbindungen zwischen Unternehmen und Banken, sowie einen standardisierten Weg der Übertragung von Informationen zur Überweisung mit der Zahlung zum Gegenstand haben.

Bislang haben noch nicht viele Unternehmen damit begonnen, sich aktiv auf SEPA vorzubereiten, weil ihnen die konkreten Auswirkungen nicht vollends klar sind. Dies hängt wahrscheinlich mit der anfänglich zögerlichen Kommunikation seitens der Banken und Softwareprovider über SEPA zusammen, denn einige ihrer Produkte sind noch in der Pilotphase. Wir rechnen damit, dass bis Ende 2010 die überwiegende Mehrheit der Zahlungen als SEPA-Zahlungen ausgeführt wird. Allerdings wird es immer offensichtlicher, dass ein Stichtag festgelegt werden sollte, an dem die derzeitigen Zahlungsinstrumente auslaufen. [4]

Die Gespräche haben begonnen, und ich hoffe, dass wir in diesem Bereich bald Fortschritte erzielen werden.

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Das Projekt SEPA ist natürlich lange noch nicht abgeschlossen. Weitere Themen, die derzeit von den Banken bearbeitet werden, sind die künftigen Zahlungsinstrumente, wie SEPA-Lastschriften [5] und ein zusätzliches europäisches Kartensystem. EPC, der europäische Zahlungverkehrs-Rat erwägt derzeit gemeinsam mit dem Eurosystem und der Europäischen Kommission verschiedene Möglichkeiten, die neuen Dienstleistungen letztendlich mindestens genauso gut und den Bedürfnissen der Kunden entsprechend zu gestalten, wie die derzeitigen nationalen Lösungen. Beispielsweise müssen alle Lastschriften derart abgeändert werden, dass sie der neuen Richtlinie über Zahlungsdienste entsprechen, die bis Ende November 2009 umgesetzt werden wird. [6] In Bezug auf Karten arbeitet das Eurosystem an einer Vertiefung der wirtschaftlichen und politischen Argumente für ein weiteres europäisches Kartensystem mit und zeigt praktische Schritte auf, die in diese Richtung unternommen werden könnten.]

Ich gehe davon aus, dass Einzelheiten zu den SEPA-Produkten und zum Migrationszeitplan bald klarer sein und dass sich die Beteiligten aktiver in die SEPA-Diskussion einbringen werden. So wurde ich darüber informiert, dass einige zukunftsorientierte Unternehmen bereits mit den Vorbereitungen für SEPA-Überweisungen begonnen haben.

Sie haben mit der Einführung der neuen SEPA-Standards begonnen, ihre Verbindungen zu den Banken verbessert – und all dies bei einem wettbewerbsfähigeren Service (und einer wettbewerbsorientierteren Preisgestaltung).

Die Rolle der Unternehmen in den nächsten Jahren

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Zum Schluss möchte ich Ihr Augenmerk noch auf Innovation und die Rolle der Unternehmen in den nächsten paar Jahren lenken. Im Allgemeinen erfolgt Innovation auf verschiedenen Ebenen: Innovation könnte führen zu

  • verbesserten Waren und Dienstleistungen (beispielsweise SEPA-Instrumenten)

  • verbesserten organisatorischen Abläufen (beispielsweise Innovationen der Lieferkette)

  • verbesserten Produktionsprozessen (beispielsweise spezialisierten payment factories oder outsourcing)

Was die erste Innovationsebene anbelangt, d. h. Produkt- und Serviceinnovationen, so gehe ich davon aus, dass mit SEPA die neuen Zahlungsinstrumente für Europa mindestens so effizient, komfortabel und sicher sein werden, wie es die Zahlungssysteme heute in Ihren Heimatländern sind. Und die Kreditwirtschaft erwägt bereits, ihre SEPA-Instrumente auf europaweite Online- und mobile Zahlungen auszuweiten, wodurch SEPA noch weiter ausgedehnt und vertieft werden wird.

Die zweite Ebene ist die Innovation bei den Abläufen. Es ist davon auszugehen, dass SEPA zu einer verbesserten Organisation von Abläufen führen und ein erster Schritt zur vollautomatisierten durchgängigen Verarbeitung von Zahlungen sein wird. Die Unternehmen können dann besser mit ihren Partnern interagieren und ihre finanziellen Transaktionen besser tätigen, unabhängig davon, wo sie sich befinden. Die Banken (z. B. in Form der Euro Banking Association) haben auch mit einer Analyse der elektronischen Rechnungsstellung (e-invoicing) begonnen, und die Europäische Kommission befasst sich mit den rechtlichen Aspekten der elektronischen Rechnungsstellung (beispielsweise elektronische Signatur). Und ISO hat die Arbeit an stärker harmonisierten Ausweisen und Bankauszügen aufgenommen. Letztlich wird die gesamte Lieferkette verbessert werden.

Drittens wird der Produktionsprozess verbessert. Für Zahlungen könnte dies bedeuten, dass vermehrt outsourcing und payment factories genutzt werden, was – dank Skaleneffekten – auch Nichtbanken anbieten können. Banken könnten sogar selbst ihre eigenen ‚Nichtbanken‛ schaffen und Teile ihrer Zahlungsfunktionen in diese auslagern. Es bleibt abzuwarten, inwieweit outsourcing ausgedehnt werden kann.

In diesen unterschiedlichen Innovationsebenen spielen Unternehmen in zweierlei Hinsicht eine bedeutende Rolle.

Zum einen spielen sie bei der Schaffung dieser neuen Zahlungslösungen und der damit zusammenhängenden Prozesse, gemeinsam mit den Banken, eine wichtige Rolle. Zum anderen sind die Unternehmen aber auch entscheidend für die Umsetzung der europäischen Lösungen.

Lassen Sie mich nun zum Schluss kommen.

Schlussfolgerungen

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Seit Januar 2008 werden Zahlungsdienstleistungen auf gesamteuropäischer Ebene angeboten. Bei der Nutzung von SEPA-Überweisungen gibt es innerhalb von SEPA keinen Unterschied mehr zwischen inländischen und grenzüberschreitenden Zahlungen in Euro.

Der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum hat einen ganzen Reformprozess in Gang gesetzt, der die Funktionsweisen des Finanzsystems weiter verbessern wird. Ich bin zuversichtlich, dass die Unternehmen ihrer Rolle gerecht werden, um einen innovativeren und stärker integrierten Markt zu schaffen. Mein „Landsmann“ Joseph Schumpeter hat den Begriff des „schöpferischen Unternehmers“ geprägt. Zukunftsorientierte Unternehmen sind nun gefragt, die SEPA als einen „Motor“ nutzen, um die Optimierung von Abläufen voranzutreiben und damit die nötigen Voraussetzungen für Innovationen zu schaffen, die so Wirtschaftswachstum und sozialen Wandel fördern.

Es ist ermutigend, zu sehen, dass einige Unternehmer in der Diskussion über die künftigen Instrumente von SEPA bereits sehr aktiv geworden sind. Es wurde ein Forum auf europäischer Ebene geschaffen, das eine engere Einbindung der Beteiligten in das SEPA-Projekt ermöglichen soll, das sogenannte Customer Stakeholder Forum.

Es existieren auch Foren auf nationaler Ebene, in denen an Verbesserungen und Innovationen für die nächsten 20 Jahre gearbeitet wird. Ich hoffe, dass sich viele Unternehmen in die Gespräche in diesen Foren einbringen und somit die europäische Startrampe namens SEPA verbessern werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

  1. [1] Schmiedel (2007), “The economic impact of the Single Euro Payments Area”, ECB Occasional Paper Series, August 2007

  2. [2] „SEPA: potential benefits at stake – Researching the impact of SEPA on the payments market and its stakeholders“ Capgemini Consulting.

  3. [3] Bislang haben dreizehn Länder des Euroraums (AT, BE, CY, DE, ES, FI, FR, GR, IT, LU, MT, NL und SI) ein Umstellungsverfahren zur Migration von der herkömmlichen nationalen Kontonummer (BBAN) zur Internationalen Kontonummer (IBAN) vereinbart. In zwei Ländern des Euroraums (IE and PT) ist der Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen.

  4. [4] Bislang wurde in sechs Ländern des Euroraums (BE, CY, FI, FR, NL und SI) ein Zeitplan zur stufenweisen Abschaffung vereinbart.

  5. [5] Bei den Lastschriften regt das Eurosystem die Migration der bestehenden Einzugsermächtigungen auf ein neues SEPA-Lastschriftsystem an, und wir erleichtern Gespräche zwischen Wettbewerbsbehörden und dem Bankengewerbe, um Klarheit über die Einzelheiten dieses Systems zu schaffen.

  6. [6] Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG.

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