Suchoptionen
Startseite Medien Wissenswertes Forschung und Publikationen Statistiken Geldpolitik Der Euro Zahlungsverkehr und Märkte Karriere
Vorschläge
Sortieren nach

Wie Europa zu mehr Wachstum kommt

Rede von Jean-Claude Trichet, Präsident der EZBV. Ludwig-Erhard-Lecture Berlin, 16. Oktober 2006

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Professor Doktor Tietmeyer – ich möchte lieber sagen: mein lieber Freund Hans; ich freue mich sehr, heute im Rahmen der V. Ludwig-Erhard-Lecture anlässlich des 75. Geburtstags von Professor Tietmeyer hier bei Ihnen zu sein und meine Gedanken zur Steigerung des Potenzialwachstums in Europa mit Ihnen zu teilen.

Zuerst einmal ist Professor Tietmeyer ein Pionier der Wirtschafts- und Währungsunion und des Euro, weshalb ich mich ihm – aus nahe liegenden Gründen – verbunden und natürlich auch verpflichtet fühle, seine Arbeit am europäischen Projekt fortzuführen. Insbesondere teile ich seine Ansichten darüber, wie die Geldpolitik durchzuführen ist. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle Hans Tietmeyer selbst zu zitieren, um dies zu veranschaulichen: „Längerfristig hat sich eindeutig die monetäre Stabilität als vorteilhafter für Wachstum und Beschäftigung erwiesen. Sie ist zugleich die sozialste aller denkbaren Wirtschaftsstrategien.“ [1]

Zweitens schätze ich mich persönlich glücklich und bin stolz darauf, seit über 20 Jahren zu seinen Freunden zu zählen.

Hätten im Jahre 1999 nicht Führungspersönlichkeiten wie Hans eine gemeinsame Vision für die Zukunft Europas gehabt, hätten nicht elf europäische Staaten die gemeinsame Währung eingeführt, denen später Griechenland folgen sollte. Und im kommenden Jahr wird Slowenien dem Euro-Währungsgebiet beitreten. Die Einführung des Euro war ein großartiger Erfolg – das sieht man nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt so. Doch um die Vorteile des Euro auch weiterhin voll ausschöpfen zu können, muss Europa noch einige große Herausforderungen bewältigen, die umfangreiche politische Maßnahmen erfordern. Wenn man die wirtschaftliche Leistung des Euro-Währungsgebiets in Bezug auf das Wachstum mit der der Vereinigten Staaten vergleicht, so zeigt sich ganz deutlich, dass wir noch große Fortschritte machen müssen. Seit 1996 liegt die jährliche Wachstumsrate im Euro-Währungsgebiet bei durchschnittlich 2,1 % pro Jahr [2] gegenüber 3,4 % in den Vereinigten Staaten, was ein sehr mäßiges Wachstumspotential im Euroraum widerspiegelt. Dies führte dazu, dass das Pro-Kopf-BIP in KKP im Euroraum im Jahr 1996 noch bei 84 % des entsprechenden US-amerikanischen Werts lag, im Jahr 2005 hingegen nur noch bei 76 %.

Somit stellt heute die Steigerung des Potenzialwachstums in Europa eine Priorität für den Euroraum dar, denn das Potenzialwachstum ist einer der wichtigsten Katalysatoren für die Verbesserung des Lebensstandards. Auch für die Zentralbank ist dies ein wichtiges Thema, da das Produktionspotenzial als das maximale Produktionsniveau angesehen werden kann, das eine Volkswirtschaft mittel- und langfristig ohne Inflationsanstieg verkraften kann.

Ich werde zunächst auf die Entwicklung des Wirtschaftswachstums des Euroraums in der Vergangenheit eingehen und dabei mein Augenmerk auf einige dem Potenzialwachstum zugrunde liegende Faktoren richten, insbesondere die Arbeitskräfteauslastung (oder das Arbeitskräfteangebot) und das Wachstum der Arbeitsproduktivität pro Stunde, vor allem im Vergleich mit den Vereinigten Staaten und anderen hoch entwickelten Industrienationen. Anschließend werde ich aufzeigen, welche Art von Reformen ich für die Steigerung des Potenzialwachstums und folglich des Wohlstands in Europa künftig für wesentlich halte.

Die wirtschaftliche Entwicklung des Euroraums seit Mitte der Neunzigerjahre

Ich beginne mit einer Einschätzung der wirtschaftlichen Leistung des Euroraums, wobei ich

  • zunächst einige allgemeine Tatsachen ins Gedächtnis rufen möchte,

  • um anschließend eine detailliertere Analyse der Lage am Arbeitsmarkt und der Arbeitsproduktivität im Euroraum vorzunehmen.

Wie ich bereist erwähnt habe, lag das Produktionswachstum im Euroraum zwischen 1996 und 2005 im Durchschnitt um 1,3 Prozentpunkte hinter dem US-amerikanischen zurück, und dieser Abstand scheint bestehen zu bleiben. [3]

Diese Entwicklung lässt sich hauptsächlich durch die voneinander abweichenden Trends beim Wachstum der Arbeitsproduktivität pro Stunde erklären, da das Wachstum der Arbeitsproduktivität in der Regel die stärkste Bestimmungsgröße des langfristigen Potenzialwachstums ist. In den Achtzigerjahren und der ersten Hälfte der Neunzigerjahre stieg die Arbeitsproduktivität pro Stunde im Euroraum im Durchschnitt um 2,4 %, wobei das Wachstum zwischen 1996 und 2005 auf einen durchschnittlichen Wert von 1,3 % zurückging. Im Gegensatz hierzu stieg das Wachstum der Arbeitsproduktivität pro Stunde in den Vereinigten Staaten im gleichen Zeitraum von 1,3 % auf 2,2 %.

Gleichzeitig verzeichnete der Euroraum eine leichte Verbesserung bei der Auslastung der Arbeitskräfte, die zwischen 1996 und 2005 um durchschnittlich 0,3 % anstieg [4] [gegenüber 0,1 % in den Vereinigten Staaten]; die Auslastung der Arbeitskräfte wird hierbei definiert als die gesamten geleisteten Arbeitsstunden pro Jahr geteilt durch die Gesamtbevölkerung. In der Auslastung der Arbeitskräfte kommt zum Ausdruck, wie stark das vorhandene Arbeitskräftepotenzial einer Volkswirtschaft tatsächlich ausgelastet ist, weshalb sie einen direkten Einfluss auf das Produktionswachstum hat. Die leichte Verbesserung bei der Auslastung der Arbeitskräfte spiegelt in erster Linie den deutlichen Anstieg der Beschäftigungsrate im Euro-Währungsgebiet von 58 % im Jahr 1996 auf 63,5 % im Jahr 2005 wider; dieser ging mit einem Rückgang der gesamten Arbeitslosenquote von 10,7 % auf 8,6 % einher. Allerdings wurde das Beschäftigungswachstum teilweise dadurch wieder gedämpft, dass die durchschnittlichen jährlich geleisteten Arbeitsstunden in demselben Zeitraum um 0,4 % pro Jahr sanken [gegenüber einem Rückgang um 0,2 % in den Vereinigten Staaten].

Nun möchte ich auf vier Punkte näher eingehen, die für die Situation der europäischen Arbeitsmärkte und der Arbeitsproduktivität maßgeblich sind und Aufschluss über die durch die Wirtschaft im Euro-Währungsgebiet erzielten Fortschritte und ihre Schwächen geben.

Erstens bleibt die Gesamtbeschäftigungsrate im Euroraum trotz der am Arbeitsmarkt verzeichneten Fortschritte im internationalen Vergleich niedrig [63,5 % im Euro-Währungsgebiet gegenüber 71,5 % in den Vereinigten Staaten im Jahr 2005], während die Arbeitslosenquote eindeutig zu hoch ist [8,6 % gegenüber 5,1 % in den Vereinigten Staaten im Jahr 2005 [5]]. Darüber hinaus lagen die jährlich geleisteten Arbeitsstunden im Euro-Währungsgebiet im Jahr 2005 bei 1 603 gegenüber 1 804 in den Vereinigten Staaten. Dies ist insgesamt ein deutliches Zeichen dafür, dass in Europa noch immer ein großes Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Arbeitskräfteauslastung besteht.

Zweitens ist das Beschäftigungsniveau bei Männern mittleren Alters im Euro-Währungsgebiet mit dem der Vereinigten Staaten vergleichbar; größere Unterschiede treten hingegen bei den Beschäftigungsraten junger, weiblicher und älterer Arbeitnehmer zutage. Bei den Frauen betrug die Beschäftigungsquote im Euro-Währungsgebiet 55 % gegenüber 66 % in den USA, bei den älteren Arbeitnehmer 40 % gegenüber 60 % und bei den Jugendlichen 37 % gegenüber 54 % [6]. Diese Zahlen entsprechen offensichtlich einer Beschreibung des europäischen Arbeitsmarkts als einem Markt mit „Insidern“ und „Outsidern“, das heißt als einem Markt, an den diese „Randgruppen“ aufgrund struktureller Hindernisse nicht gelangen können.

Der Anstieg der Gesamtbeschäftigungsrate im Euro-Währungsgebiet in den vergangenen zehn Jahren wurde in erster Linie von steigenden Beschäftigungszahlen bei den Frauen und älteren Arbeitnehmern getragen; hierin kamen teilweise die Fortschritte bei den Strukturreformen sowie der Politik der Lohnmäßigung in einigen europäischen Ländern zum Ausdruck. Nichtsdestoweniger, und damit komme ich zu meinem dritten Punkt, dem Wachstum der Arbeitsproduktivität pro Stunde, haben bestimmte Maßnahmen zur Beschäftigungssteigerung gerade im Arbeitsmarktsegment der Geringqualifizierten gewiss zu der beobachteten Verlangsamung des Wachstums der Arbeitsproduktivität beigetragen. Bei diesem augenscheinlichen Zielkonflikt zwischen Arbeitskräfteauslastung und Arbeitsproduktivität handelt es sich jedoch wahrscheinlich nur um ein vorübergehendes Phänomen, das verschwinden dürfte, wenn die Wirtschaft ein besseres „Gleichgewicht“ zwischen Arbeitskräften und Produktion findet.

Allerdings ist anzumerken, dass es den Vereinigten Staaten gelungen ist, gleichzeitig sowohl den Arbeitseinsatz als auch die Arbeitsproduktivität zu steigern. Dies führt mich zu meinem letzten Punkt. Es gibt nämlich noch einen weiteren Faktor, mit dem sich das unterschiedliche Wachstum der Arbeitsproduktivität in Europa und den Vereinigten Staaten erklären lässt und der in meinen Augen eine große Herausforderung für die Politik darstellt: Europa weist in Bezug auf Innovation und insbesondere auf die Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) einen Rückstand auf. Welch bedeutende Rolle den Informations- und Kommunikationstechnologien bei der Wiederbelebung des Wachstums der Arbeitsproduktivität in den Vereinigten Staaten zukam, wurde bereits von mehreren Autoren hervorgehoben. [7]

Obwohl der IKT-Sektor die wichtigste Triebfeder für das Produktivitätswachstum ist, machte er in der EU nur 40 % des Produktivitätswachstums aus gegenüber 60 % in den Vereinigten Staaten. Im Jahr 2004 beliefen sich die Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) im Euro-Währungsgebiet auf 1,9 % des BIP, wobei der IKT-Sektor 20 % dieses Betrags ausmachte; in den Vereinigten Staaten hingegen wurden 2,8 % des BIP für Forschung und Entwicklung ausgegeben, von denen 30 % auf den IKT-Sektor entfielen. [8] Noch stärker ist der Einfluss, den die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologien auf die Produktivität der US-amerikanischen Wirtschaft hatte, insbesondere im Dienstleistungssektor, wobei der Einzel- und Großhandel sowie der Finanzdienstleistungssektor besonders stark betroffen waren. Die IKT-Investitionen – ein guter Indikator für die Verbreitung der Informations- und Kommunikationstechnologie – machten im Zeitraum von 1996 bis 2004 in den Vereinigten Staaten 4 % des BIP aus, im Euro-Währungsgebiet hingegen lediglich 2 %. [9] Offensichtlich konnten die Möglichkeiten, die die neuen Technologien bieten, aufgrund der strukturellen Merkmale der US-Wirtschaft – flexiblerer Arbeitsmarkt, mehr Wettbewerb an den Produktmärkten und geringere Marktzutrittsschranken für neue Firmen – besser genutzt werden. Demgegenüber zeichnete sich das Produktivitätswachstum in Europa dadurch aus, dass eine Verbreitung von Technologie über Sektoren hinweg ausblieb, was gerade den Dienstleistungssektor betraf.

Die Notwendigkeit weiterer Strukturreformen in Europa

Insgesamt ergibt sich aus dieser kurzen Einschätzung der Ursachen für das enttäuschende längerfristige Wachstum in Europa ein gemischtes Bild der europäischen Wirtschaft. Natürlich habe ich mich auf bestimmte angebotsseitige Determinanten des Wirtschaftswachstums konzentriert. Das Wirtschaftswachstum wird jedoch noch durch weitere Faktoren beeinflusst, zu denen auch der wirtschaftspolitische Rahmen zählt. Auf einige dieser Aspekte werde ich später eingehen, unter anderem auf den Beitrag, den die Geldpolitik zu einem nachhaltigen Produktionswachstum leisten kann.

In meinen Augen ist das Fehlen ausreichender Strukturreformen in Europa eine der Hauptursachen für das unterschiedliche Wirtschaftswachstum in Europa und den Vereinigten Staaten sowie einigen anderen hoch entwickelten Industrienationen und außerdem für das sich verringernde Wachstumspotenzial Europas. Alles in allem scheint das vordringliche politische Problem Europas in der gleichzeitigen Erreichung eines stabilen Beschäftigungsniveaus und eines festen Produktivitätswachstums zu bestehen. Deshalb werde ich mich nun solchen Strukturreformen zuwenden, die die Möglichkeit bieten, im Euroraum sowohl das Wachstum der Arbeitsproduktivität als auch die Auslastung der Arbeitskräfte und dadurch das langfristige Wachstumspotenzial zu steigern. Natürlich ist das Ergreifen derart umfassender Strukturreformen leichter gesagt als getan, insbesondere im derzeitigen Umfeld, denn die europäische Wirtschaft steht vor einer Reihe bedeutender Herausforderungen, unter anderem dem schnellen technologischen Wandel, der alternden Bevölkerung sowie der sich beschleunigenden Globalisierung. Die Alterung der Bevölkerung beispielsweise wird nicht nur Druck auf die öffentlichen Finanzen ausüben, da alterungsbedingte Ausgaben steigen, sondern ganz bestimmt auch dazu beitragen, dass die Potenzialwachstumsrate Europas sinken wird, wenn keine Reformen ergriffen werden. Den Projektionen der Europäischen Kommission zufolge könnten allein die Auswirkungen der alternden Bevölkerung dazu führen, dass sich das Potenzialwachstum in Europa bis 2040 – von gegenwärtig 2,0 %-2,25 % auf rund 1,25 % – nahezu halbiert, wenn Strukturreformen ausbleiben. [10]

Alles in allem müssen angesichts dieser Herausforderungen erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um das Produktionswachstum sowie die Anpassungsfähigkeit des Euroraums im Allgemeinen und die Flexibilität der Arbeitnehmer im Besonderen zu erhöhen. Die europäischen Regierungen sollten die günstigen Wachstumsentwicklungen der letzten Zeit dazu nutzen, Strukturreformen voranzutreiben.

Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, möchte ich an dieser Stelle einige der Hauptprioritäten für Reformen in den folgenden vier Bereichen hervorheben:

  • Erhöhung der Zahl der Erwerbstätigen

  • Steigerung des Wettbewerbs

  • Ausschöpfung der Geschäftspotenziale

  • Förderung eines innovativen Umfelds

Zunächst einmal sind gut funktionierende Arbeitsmärkte von höchster Bedeutung für die Steigerung des Wirtschaftswachstums. Aufgrund der Unterschiede, die bei den Entwicklungen an den Arbeitsmärkten, insbesondere hinsichtlich der Auslastung der Arbeitskräfte, zwischen den Vereinigten Staaten und Europa bestehen, sprechen einige Ökonomen in Bezug auf das Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit bereits von einem „europäischen Modell“ und einem „US-amerikanischen Modell“. [11] Eine Sichtweise ist, dass in den in Europa verzeichneten niedrigeren Werten des BIP pro Kopf die Vorliebe der Europäer für mehr Freizeit zum Ausdruck kommt. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass eine niedrigere Erwerbsbeteiligung nicht notwendigerweise nur mit persönlichen Präferenzen zusammenhängt, sondern auch durch das rechtliche und regulatorische Umfeld, das Steuersystem und soziale Einrichtungen bedingt sein kann. Allzu großzügige Sozialleistungssysteme bieten keinen Anreiz zur Arbeitsplatzsuche, und Vorruhestandsregelungen begünstigen ein frühes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben – die Beschäftigungsraten bei den älteren Arbeitnehmern zwischen 55 und 64 Jahren lagen 2005 im Euroraum bei nur 40 % [12], in den Vereinigten Staaten hingegen bei 60 % [13]; außerdem erschweren zu hohe Grenzsteuersätze den Eintritt in den Arbeitsmarkt und tragen somit zu einer Verringerung der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden bei. Notwendige Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitskräfteauslastung oder des Arbeitskräfteangebots sind unter anderem Reformen der Steuer- und Sozialleistungssysteme, mit denen man diese Probleme angehen und Arbeitsanreize verbessern kann. Die Erwerbsbeteiligung dürfte außerdem durch Maßnahmen für eine leichtere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für weibliche Arbeitnehmer, beispielsweise durch bessere Kinderbetreuungsangebote, steigen. Auch flexiblere Arbeitsformen, beispielsweise Teilzeit oder befristete Arbeitsverhältnisse, dürften weitere Arbeitsanreize bieten. [14]

Hohe Arbeitslosenzahlen im Euro-Währungsgebiet, und insbesondere eine hohe Arbeitslosenrate bei den Jugendlichen, die sich 2005 auf 17,8 % belief gegenüber 11,3 % in den Vereinigten Staaten [15], deuten klar darauf hin, dass nicht nur das Arbeitskräfteangebot, sondern auch die Arbeitsnachfrage belebt werden müssen. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, Lohnflexibilität zu fördern und Arbeitsmarktrigiditäten zu reduzieren. Anpassungen sollten bei den arbeitsrechtlichen Vorschriften vorgenommen werden, insbesondere wo diese die Beschäftigung jüngerer und älterer Arbeitnehmer behindern.

Und Reformen zahlen sich in der Tat aus. So wurden in den europäischen Ländern, die derartige Reformen eingeführt haben – insbesondere Dänemark, Irland und die Niederlande –, erfolgreich Arbeitslosenzahlen gesenkt, und die Schaffung neuer Arbeitsplätze wurde angeregt, obwohl die wirtschaftlichen Voraussetzungen in den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich waren. [16] Im Jahr 2005 lag die Arbeitslosenrate in diesen Ländern unter 5 %, während die Gesamtbeschäftigungsquote über oder nahe dem US-amerikanischen Niveau lag. Um so große Erfolge verzeichnen zu können, hatten diese Länder ihre Steuer- und Sozialleistungssysteme reformiert: sie senkten den Steuer- und Abgabenkeil auf das Arbeitseinkommen, verschärften die Durchsetzung der Arbeitssuchebestimmungen und setzten eine bessere Überwachung der Anspruchsberechtigung durch. [17] Außerdem erhöhten sie, sofern erforderlich, die Flexibilität ihrer Arbeitsmärkte, indem sie gerade in Bezug auf Teilzeitbeschäftigte die Kündigungsschutzbestimmungen lockerten.

Eine weitere Gemeinsamkeit dieser Länder ist, dass in ihnen die Gütermarktregulierung deutlich reduziert wurde. Damit kommen wir zur zweiten Voraussetzung für ein höheres mittel- bis langfristiges Wachstum, nämlich der Steigerung des Wettbewerbs, um effiziente und gut funktionierende Gütermärkte zu schaffen.

Die meisten Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein potenzieller Wettbewerbsdruck durch eine Verbesserung der Produktionseffizienz und eine Steigerung der Investitions- und Innovationsanreize zumindest langfristig zu einem Beschäftigungszuwachs und zu einer Belebung der Produktivitätsentwicklung führt. Der Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Produktivitätswachstum ist mittlerweile sowohl theoretisch als auch empirisch hinreichend belegt. Die EZB und das Eurosystem sowie die Kommission sind auf diesem Forschungsgebiet tätig. [18]

In der EU wurden in dieser Hinsicht bereits einige Fortschritte erzielt. [19] Beispielsweise haben sich mittlerweile mehrere netzgebundene Sektoren, wie die Telekommunikationsbranche, vollständig oder weitgehend dem Wettbewerb geöffnet. Doch es bleibt noch vieles zu tun: die Erweiterung und Vertiefung des EU-Binnenmarkts sind auch weiterhin eine Priorität. Angesichts der Tatsache, dass die dienstleistungsbezogenen Tätigkeiten im Euroraum rund 70 % der Wertschöpfung und der Beschäftigung ausmachen, ist an den Dienstleistungsmärkten in der EU mehr Wettbewerb unbedingt geboten.

In diesem Kontext war die Annahme der Dienstleitungsrichtlinie durch das Europäische Parlament im Februar 2006 ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, auch wenn sie in der Zwischenzeit etwas verwässert wurde, was ich bedauere. Auch sei betont, dass die bloße Annahme von Binnenmarktrichtlinien noch nicht automatisch zu Gewinnen führt. Nach ihrer Annahme müssen die Richtlinien zunächst in innerstaatliches Recht umgesetzt und anschließend durchgesetzt werden, damit ihre Vorteile zum Tragen kommen können; hierfür sind in erster Linie die Mitgliedstaaten verantwortlich.

Die dritte Voraussetzung für ein höheres Wachstum im Euro-Währungsgebiet ist eine Ausschöpfung der Geschäftspotenziale durch die Schaffung eines unternehmerfreundlichen wirtschaftlichen Umfelds. Europa braucht mehr junge und erfolgreiche Unternehmen, die bereit sind, die Vorteile von sich öffnenden Märkten voll auszuschöpfen und für eine kommerzielle Nutzung in größerem Umfang kreative bzw. innovative Risiken einzugehen. Neue Stellen werden mehr und mehr von jungen und kleineren Firmen geschaffen, und nicht mehr von Großunternehmen. [20] Auch der Beitrag, den firmendynamische Prozesse zum Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität und zur Innovation leisten, spielt eine große Rolle, gerade im Hochtechnologiesektor. [21] Alles in allem würde ein unternehmerfreundliches wirtschaftliches Umfeld für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einerseits weniger Bürokratie bedeuten, was zu ihrer Entwicklung im In- und Ausland beitragen würde, und ihnen andererseits einen vereinfachten Zugang zu den für sie erforderlichen Finanzmitteln ermöglichen. Was die Risikokapitalmärkte anbelangt, so ist auch die Risikokapitalfinanzierung von entscheidender Bedeutung. Ohne diese Gelder werden viele junge und innovative Unternehmen schlicht und einfach nicht entstehen. Und Europa weist in diesem Bereich einen deutlichen Rückstand auf, denn die Wagniskapitalfinanzierung macht hier, gemessen an der Größe seiner Volkswirtschaft, nur einen Bruchteil des Anteils in den Vereinigten Staaten aus. Allerdings werden sich die europäischen Regierungen der immensen Bedeutung eines unternehmerfreundlichen wirtschaftlichen Umfeldes immer stärker bewusst, und im Zuge mehrerer Initiativen auf nationaler und EU-Ebene wurde bereits damit begonnen, Maßnahmen für eine „bessere Regulierung“ einzurichten. Beispielsweise forderte der Europäische Rat im März 2006 Regelungen zur Schaffung von zentralen Anlaufstellen in allen Mitgliedstaaten bis Ende 2007, die Unternehmensgründungen innerhalb einer Woche ermöglichen würden. Gegenwärtig liegt die für eine Unternehmensneugründung erforderliche Zeitspanne im Euroraum zwischen acht Tagen (in Frankreich und Portugal) und 47 bzw. 38 Tagen (in Spanien und Griechenland) – in den USA hingegen kann man innerhalb von fünf Tagen ein neues Unternehmen gründen. [22]

Viertens müssen die soeben genannten Reformen an den Arbeits- und Gütermärkten – wenn das Produktivitätspotenzial voll ausgeschöpft werden soll – von Maßnahmen begleitet werden, die dazu beitragen, Innovationen und technologische Veränderungen zu verbreiten. Hierzu zählen unter anderem Maßnahmen zur Förderung von Innovation durch höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE). Die überragende Bedeutung dieses Themas und die großartigen Möglichkeiten, die sich durch Investitionen in Forschungsaktivitäten auftun, werden zunehmend auch von europäischen Regierungen und Firmen geschätzt. Europa hat es sich selbst zum Ziel gesetzt, hier bis 2010 einen Anteil von 3 % am BIP zu erreichen; und scheinbar wurden diesbezüglich bereits einige Fortschritte erzielt. Laut einer in jüngster Zeit durchgeführten EU-Piloterhebung zu FuE-Investitionen gehen die europäischen Unternehmen davon aus, dass ihre Gesamtinvestitionen in Forschung und Entwicklung im Lauf der nächsten drei Jahre um rund 5 % pro Jahr steigen werden; dies bedeutet eine erhebliche Verbesserung gegenüber den letzten Jahren. Würde sich eine derartige Wachstumsrate tatsächlich einstellen, so würde dies bedeuten, dass sich europäische Firmen gemessen an FuE-Investitionen erstmals seit vielen Jahren ebenso gut entwickeln wie US-amerikanische. [23] Die Umfrage ergab außerdem, dass europäische Firmen ihre FuE-Tätigkeiten auch weiterhin lieber in ihrem Heimatland ansiedeln, wobei Deutschland, das Vereinigte Königreich und Frankreich die Liste der bevorzugten Orte anführen.

Damit diese Maßnahmen maximale Wirkung erzielen können, müssen zugleich Bemühungen unternommen werden, das Ausbildungsniveau und die Berufserfahrungen der Arbeitskräfte zu verbessern.

Die Auswirkungen, die das Ausbildungsniveau auf das Wachstum hat, können im Zusammenhang mit Innovationen stehen, aber auch mit der Verwendung neuer Technologien. Maßnahmen zur Verbesserung des Humankapitals werden in diesem Bereich gewöhnlich als äußerst wichtig erachtet. Eine mögliche, in der Literatur häufig angeführte Erklärung besteht darin, dass die Verbreitung von Innovation und neuen Technologien im Lauf der Zeit, ausgelöst durch eine steigende Zahl von Anwendern, mit einer raschen Herabsetzung der Lernkosten verbunden ist. Ein umfassenderes Wissen, wie neue Technologien zu nutzen sind, würde natürlich die Verbreitungsrate beschleunigen und nichtlineare Effekte in Zusammenhang mit den mit ihr verbundenen Gewinnen unterstützen.

Bessere Aus- und Fortbildung trägt auch dazu bei, Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt abzubauen und eine bessere Mobilität von Arbeitskräften zwischen den einzelnen Unternehmen und Sektoren zu ermöglichen. [24]

Um den Herausforderungen des technologischen Fortschritts zu entsprechen und die Beschäftigungsfähigkeit und Flexibilität der Arbeitskräfte zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass das Humankapital durch verbesserte Aus- und Fortbildung sowie lebenslanges Lernen fortwährend den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts angepasst wird.

In den letzten Jahrzehnten konnte das Bildungsniveau bereits enorm verbessert werden, was auch als „Aufholeffekt in der Ausbildung“ bezeichnet wird. OECD-Daten zufolge hatten 2003 im Euroraum durchschnittlich 73 % der Menschen zwischen 25 und 34 Jahren mindestens ein der Sekundarstufe II entsprechendes Ausbildungsniveau erreicht gegenüber 46 % in der Altersgruppe zwischen 55 und 64 Jahren. [25]

Allerdings sind die Investitionen in das Humankapital in Europa bislang nach wie vor einer wissensbasierten Wirtschaft auf keinen Fall angemessen. Im Jahr 2005 lagen die jährlichen Ausgaben für Hochschulen je Student in den Vereinigten Staaten bei 17 890 EUR gegenüber nur 7 402 EUR im Euro-Währungsgebiet. Außerdem benötigen wir mehr hoch qualifizierte Forscher und Wissenschaftler. In der EU kommen auf tausend Arbeitnehmer rund 5,3 Forscher und Wissenschaftler gegenüber 9 in den Vereinigten Staaten. [26]

Der Stand der Strukturreformen

Wenn die Länder des Euroraums jetzt all ihre Stärke bündeln und Strukturreformen ehrgeizig vorantreiben, wird dies die Verbesserung der konjunkturellen Entwicklung im Euro-Währungsgebiet stützen und ausweiten. Deshalb hat die EZB die Umsetzung von Strukturreformen im Rahmen der so genannten Strategie von Lissabon stets gefördert, die vom Europäischen Rat bei seinem Treffen in Lissabon im Jahr 2000 festgelegt worden war. In den ersten fünf Jahren wurden in einigen Bereichen Fortschritte erzielt, was sich auch in einem Anstieg der Beschäftigungsrate im Euro-Währungsgebiet niederschlug. Doch gehen die Reformen noch immer nicht weit genug, und gerade ihre Umsetzung ist zu langsam – insbesondere angesichts der Dringlichkeit solcher Reformen und der mit dieser langsamen Entwicklung verbundenen Opportunitätskosten.

Vor diesem Hintergrund wurde der Prozess anlässlich der Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie im Jahr 2005 erneut angestoßen, wobei der Fokus der Strategie nun auf Wachstum und Beschäftigung verlagert wurde. Gleichzeitig wurde eine Reihe von Änderungen am Umsetzungsrahmen der Strategie von Lissabon vorgenommen, um die Durchführung von Strukturreformen zu verbessern. Ein Ergebnis dieses Prozesses war, dass alle EU-Länder nationale Reformprogramme (NRPs) erstellen mussten, in denen die Schritte für die Strukturreformen im Zeitraum von 2005 bis 2008 aufgezeigt werden. Insgesamt spiegeln die NRPs offenbar eine stärkere politische Verpflichtung zum Reformprozess im Zusammenhang mit der Lissabon-Strategie wider; und die Regierungen aller Länder des Euroraums erkennen die Notwendigkeit weiterer Reformen sowie die sich aus der Umsetzung solcher Reformen ergebenden Vorteile an. Auch wurde anerkannt, dass ein gut funktionierender und wettbewerbsorientierter Binnenmarkt für den Euroraum besonders wichtig ist, da er dessen Fähigkeit, sich asymmetrischen Schocks reibungslos anzupassen, erhöhen wird. Dies wird dazu beitragen, die beträchtlichen Vorteile der gemeinsamen Währung voll auszuschöpfen.

In diesem Zusammenhang erweisen sich die NRPs als ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und die EZB begrüßt diese Bemühungen. Die sich hieraus ergebenden potenziellen Vorteile sind in der Tat erheblich. Eine kürzlich erstellte Studie zeigt, dass – sofern Europa die in der Lissabon-Strategie vorgegebenen Ziele erreicht (insbesondere die Vollendung des Binnenmarkts für Dienstleistungen, eine Verringerung des Verwaltungsaufwands, Verbesserungen beim Humankapital sowie die Erreichung der Ziele in den Bereichen FuE und Beschäftigung) – bis 2025 das BIP in der EU um 12 bis 23 % höher als andernfalls sein und die Beschäftigungsquote um rund 11 % steigen könnte. [27] Diese Zahlen mögen beeindrucken, doch diese Größenordnungen sind durchaus erreichbar. Man stelle sich vor, dass – könnten wir wieder an unsere jährlichen Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität der Achtzigerjahre, nämlich 2,5 %, anknüpfen – dies einen Wachstumsgewinn um 1,2 % pro Jahr bedeuten würde, in dem Wissen, dass unsere durchschnittliche Jahresrate bei 1,3 % liegt …

Gesamtwirtschaftliche Stabilität zur Stützung eines höheren und nachhaltigen Wachstums

Wie bereits erwähnt, sind die von mir betonten angebotsseitigen Bestimmungsgrößen für das langfristige Wachstum nicht als eine erschöpfende Erklärung für das Wachstum der europäischen Wirtschaft zu verstehen. Zudem sollten wir in Europa nicht nur mikroökonomisch an die Angebotsseite denken, sondern auch einen angemessenen makroökonomischen Rahmen gewährleisten. Hier spreche ich die nationalen Finanzpolitiken sowie die einheitliche Geldpolitik an.

Zunächst einmal ist eine solide Finanzpolitik in Europa von wesentlicher Bedeutung, weil sie letztlich Wachstum und Stabilität fördert. Eine umsichtige Finanzpolitik trägt über verschiedene Kanäle, unter anderem durch positive „ricardianische“ Vertrauenseffekte, zu niedrigeren Risikoprämien bei langfristigen Zinssätzen und dadurch zu günstigeren Finanzierungsbedingungen bei. Dies wiederum fördert Investitionen und langfristiges Wachstum. Unter anderem aus diesen Gründen – um über einen stabilen und tragfähigen finanzpolitischen Rahmen für das Wirtschaftswachstum zu verfügen und um eine stabilitätsorientierte Geldpolitik zu unterstützen – hat die EU den Stabilitäts- und Wachstumspakt angenommen.

Darüber hinaus ist auch die „Qualität“ der öffentlichen Finanzen für das Wachstum von enormer Bedeutung. Höhe und Zusammensetzung von Steuern und Staatsausgaben wirken sich auf die Funktionsweise der Märkte aus, außerdem können sie Wachstum behindern – oder aber fördern. Die Verringerung von Ineffizienzen bei den öffentlichen Ausgaben würde der Finanzierung von Steuersenkungen den Weg ebnen. Und öffentliche Ausgaben eher dahin zu leiten, produktivitätssteigerndes Sach- und Humankapital zu akkumulieren, als sanierungsbedürftige oder so genannte „Sunset Industries“ zu stützen, ist natürlich wachstumsfördernd.

Ich muss nicht näher erläutern, weshalb wir bei der EZB mit Nachdruck darauf hinweisen, dass der besten Beitrag, den die Geldpolitik zu Wachstum leisten kann, in der Gewährleistung von Preisstabilität besteht – insbesondere in Anwesenheit von Hans, über den die Zeitschrift Time im Jahr 1997 schrieb: „Hätten die Römer auch einen Gott für das Zentralbankwesen gehabt, so würde er wohl aussehen wie Hans Tietmeyer“. Erlauben Sie mir noch ein paar kurze Anmerkungen zur Rolle der Geldpolitik bei der Förderung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums in Europa.

Was eine Zentralbank tun kann und muss, ist, die negativen Auswirkungen einer durch eine hohe, schwankende und unerwartete Inflation ausgelösten Unsicherheit auf das langfristige Wachstum so weit wie möglich zu verhindern. Eine schwankende Inflation erhöht die Unsicherheit und wirkt sich deutlich negativ auf die Investitionen und somit auf das Produktionspotenzial sowie auf andere Komponenten der Gesamtnachfrage aus. Ein von Preisstabilität – entsprechend unserer Definition – geprägtes Umfeld, die Glaubwürdigkeit der EZB bei der Gewährleistung von Preisstabilität im Zeitverlauf und eine dadurch bedingte feste Verankerung der Inflationserwartungen bereiten den Weg für ein günstiges Niveau der mittel- und langfristigen Marktzinssätze und stützen damit eine nachhaltige konjunkturelle Entwicklung.

* * *

Lieber Hans, wer hätte sich vorstellen können, dass ich heute hier in Berlin, fast acht Jahre nach der Einführung des Euro, als Präsident der Europäischen Zentralbank sagen kann, dass der EZB-Rat das Vermächtnis der europäischen Währungen, von denen die Deutsche Mark die wichtigste war, nämlich Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Stabilität, bewahrt hat. Du weißt, wie stolz ich selbst war, als dein Bewunderer und Freund, dass meine eigene Währung, der französische Franc, nach fünfzehn Jahren „wettbewerbsmäßiger Desinflation“ auch zu einer der stabilsten Währungen geworden war.

Wer hätte sich vorstellen können, dass ich hier in Berlin hinzufügen kann, dass dieses Vermächtnis – nämlich Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Stabilität – nun 313 Millionen Bürgerinnen und Bürgern in Europa zuteil wird. Am 1. Januar 2007, also in weniger als drei Monaten, werden es 315 Millionen Menschen in 13 Ländern sein.

Es war unser Versprechen, Hans. Das Versprechen, das wir unseren Mitmenschen, den Haushalten, den Sparern und allen Wirtschaftsakteuren gegeben haben. Wir haben ihnen versprochen, dass die neue Währung mindestens so stabil und vertrauenswürdig sein würde wie ihre nationalen Währungen zuvor.

Dank Dir, Hans, dank Wim, dank Otmar, dank allen unseren Weggefährten im EZB-Rat kann ich Ihnen heute –, zusammen mit Jürgen und Axel – allen sagen: Wir haben unser Versprechen in der Vergangenheit gehalten, wir halten es in der Gegenwart, und wir werden es auch in Zukunft halten.

* * *

Permettez-moi de dire, en conclusion, dans la langue de Molière après celle de Goethe, que je suis confiant dans l’avenir de l’Europe. L’Europe est une entreprise historique que l’on doit apprécier dans la durée. La signature du Traité de Rome a un demi-siècle, le discours de Robert Schumann sur la communauté du charbon et de l’acier plus d’un demi-siècle. Qui aurait pu penser en 1950 que nous aurions au tout début du siècle suivant une Union européenne de vingt cinq et bientôt vingt sept pays, un parlement élu au suffrage universel, une cour de justice établissant sa jurisprudence sur toute l’Union, un marché unique de 450 millions d’habitants et la même monnaie pour 12 pays et bientôt 13, regroupant 315 millions de concitoyens européens ?

Nous vivons aujourd’hui, sur le plan politique, après le double non néerlandais et français, un moment de doute, de trouble, un temps d’hésitation devant l’avenir. De tels épisodes nous en avons vécus plusieurs au cours des soixante dernières années. Nous les avons toujours dépassés et la construction européenne a repris son cours. Les raisons que nous avions hier de nous engager dans l’immense entreprise de l’Union européenne et d’approfondir cette union sont toujours valables ; sans doute même sont-elles encore plus fondées aujourd’hui qu’hier. C’est pourquoi je suis confiant dans notre capacité de surmonter à terme nos difficultés présentes : les rendez-vous historiques de l’Europe doivent s’apprécier dans la longue durée. Par ailleurs l’imprévisibilité du cours actuel de l’Union politique est la marque même de l’histoire qui se fait.

Jean Monnet, cet optimiste, dont les idées sont la source même de la construction européenne, écrit à la fin de ses Mémoires :

« Ceux qui ne veulent rien entreprendre parce qu’ils ne sont pas assurés que les choses iront comme ils l’ont arrêté par avance se condamnent à l’immobilité. Personne ne peut dire aujourd’hui la forme qu’aura l’Europe où nous vivrons demain, car le changement qui naîtra du changement est imprévisible ».

Je vous remercie de votre attention.

  1. [1] Ludwig Erhard Memorial Lecture zum Thema „Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion: eine deutsche Sicht“ von Dr. Hans Tietmeyer, gehalten am 18. Februar 1992 an der London School of Economics

  2. [2] Eurostat

  3. [3] Seit 2003 lag das durchschnittliche Wachstum des realen BIP im Euroraum bei 1,3 % gegenüber 3,5 % in den Vereinigten Staaten.

  4. [4] Eurostat und OECD

  5. [5] OECD

  6. [6] Quelle: Eurostat und OECD

  7. [7] Vgl.: S. Oliner und D. Sichel, Information technology and productivity: where are we now and where are we going?, Federal Reserve Bank of Atlanta Economic Review, Third Quarter 2002, 2002; Vgl. auch: D. Jorgenson, M. Ho und K. Stiroh, Information Technology, Education, and the Sources of Economic Growth across U.S. industries, Harvard University, http://post.economics.harvard.edu/faculty/jorgenson/papers/jhscriw.pdf, 2002

  8. [8] Eurostat

  9. [9] Quelle: Groningen Growth and Development Centre database

  10. [10] Siehe: The economic costs of non-Lisbon, SEC (2005) 385 vom 15. März 2005

  11. [11] Vgl.: O. Blanchard, The economic future of Europe, The Journal of Economic Perspectives, Bd. 18, 2004, S. 3-26; R. J. Gordon, Two centuries of economic growth: Europe chasing the American frontier, CEPR Discussion Paper, Nr. 4415, 2004

  12. [12] Daten von Eurostat

  13. [13] OECD Employment Outlook 2006

  14. [14] Vgl. z. B.: V. Genre, R. Gomez-Salvador und A. Lamo, European Women: Why do(n’t) they work, ECB Working Paper Series, Nr. 454, März 2005

  15. [15] Daten von Eurostat

  16. [16] Vgl.: Lessons from successful labour market reformers in Europe, IMF-Paper, 2006

  17. [17] Vgl.: Grubb, 2000

  18. [18] Weitere Informationen zu diesem Thema finden sich in folgender Publikation: Europäische Kommission, The link between product market reforms and productivity: direct and indirect impacts, The EU Economy: 2004 Review, 2004

  19. [19] Vgl.: Task Force of the Monetary Policy Committee of the ESCB, Competition, productivity and prices in the euro area services sector, ECB Occasional Paper Series Nr. 44, April 2006

  20. [20] In den Vereinigten Staaten wurden zwischen 1993 und 1996 zwei Drittel aller neuen Stellen von 350 000 schnell wachsenden Firmen geschaffen. Vgl.: Unternehmergeist in Europa, Grünbuch der Europäischen Kommission, 21.01.2003

  21. [21] S. Scarpetta, Ph. Hemmings, Th. Tressel, J. Woo, The role of policy and institutions for productivity and firm dynamics: evidence from micro and industry data, OECD working paper Nr. 329, 2002

  22. [22] Quelle: Weltbankbericht „Doing business“. Weitere Zahlen: 10 Tage in den Niederlanden, 13 in Italien, 14 in Finnland, 19 in Irland, 24 in Deutschland, 27 in Belgien und 29 in Österreich.

  23. [23] Vgl.: Industrial Research Institute’s R&D Trends Forecast for 2006, Research and Technology Management, 49, 1, Januar-Februar 2006

  24. [24] Vgl.: G. Schwerdt, J. Turunen, Growth in euro area labour quality, ECB Working Paper Series, Nr. 575, Januar 2006

  25. [25] OECD, Bildung auf einen Blick, 2005

  26. [26] Bildung auf einen Blick: OECD-Indikatoren – Ausgabe 2005

  27. [27] Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis, Five Lisbon highlights: the economic impact of reaching these targets, 2005. Diese Untersuchung betrachtet 20 EU-Staaten; nicht berücksichtigt werden Malta, Lettland, Litauen, Estland und Zypern.

KONTAKT

Europäische Zentralbank

Generaldirektion Kommunikation

Nachdruck nur mit Quellenangabe gestattet.

Ansprechpartner für Medienvertreter