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TV-Interview mit ZDF Morgenmagazin

Interview mit Isabel Schnabel, Mitglied im Direktorium der EZB, geführt von Mitri Sirin am 29. November 2021

29 November 2021

Die Erzeugerpreise, die ja als Indikator für die Inflation gelten, sind innerhalb eines Monats 18,4 Prozent gestiegen. Das ist der stärkste Zuwachs seit den 50er Jahren. Wie ist das zu beurteilen?

Ich kann sehr gut verstehen, dass viele Menschen sich derzeit Sorgen machen über die sehr hohen Inflationsraten. Wir merken ja alle, dass vieles um uns herum teurer wird – beim Bäcker oder bei den Heizkosten. Aber man muss eben verstehen, dass das zu tun hat mit der sehr außergewöhnlichen wirtschaftlichen Situation der Pandemie: nach den Lockdowns ist die Wirtschaft erstaunlich schnell wieder angesprungen. Die Nachfrage ist angestiegen und die Unternehmen sind mit der Produktion nicht mehr hinterhergekommen. Deshalb sind Lieferengpässe entstanden; es sind Knappheiten entstanden – bei Rohstoffen, vor allen Dingen natürlich bei der Energie, bei Vorprodukten, beispielsweise bei den Mikrochips. Und dann kommen noch die statistischen Sondereffekte dazu: Dass wir nämlich heute deshalb so hohe Inflationsraten haben, weil die Preise vor einem Jahr besonders niedrig waren. Das heißt, wir vergleichen die Preise heute mit den sehr niedrigen Preisen quasi auf dem Höhepunkt der Pandemie. Betrachtet man stattdessen den Vergleich zum Zeitpunkt vor der Pandemie, also über zwei Jahre hinweg, dann beträgt die durchschnittliche Teuerungsrate nur ungefähr 2% in Deutschland.

Am Anfang hieß es auch von der EZB, das seien alles Corona Sondereffekte. Mittlerweile ist man ja wieder glaube ich auf einem anderen Kurs. Die Teuerungsrate lag im Oktober bei 4,5 Prozent? Im November soll sie auf 6 Prozent klettern. Sagen Sie uns, wie lange hält das noch an aus Ihrer Perspektive?

Viele haben dieses Ausmaß der Preissteigerung nicht erwartet. Aber wir gehen davon aus, dass im November der Höhepunkt der Inflationsentwicklung erreicht ist und dass die Inflation im kommenden Jahr wieder allmählich zurückgehen wird, und zwar in Richtung unseres Inflationsziels von 2%. Tatsächlich gehen die meisten Prognosen sogar davon aus, dass die Inflation unter diese 2% fallen wird. Insofern kann man keine Hinweise darauf sehen, dass die Inflation außer Kontrolle gerät.

Also ich fasse das noch mal zusammen, was Sie gerade eingangs auch gesagt haben. Rohstoff und Personalmangel, massive Lieferengpässe eben. Dann noch diese wuchtige Inflation, da kommt ja alles zusammen. Was heißt das jetzt eigentlich für Verbraucher? Dreht sich die Spirale jetzt weiter, ohne dass vielleicht die Politik eingreift?

Sie müssen ja sehen, dass sich die Lieferengpässe allmählich wieder auflösen werden. Auch die Energiepreise werden nicht mit dem gleichen Tempo weiter steigen und die statistischen Sondereffekte werden nach und nach aus der Berechnung herausfallen. Das heißt, die Inflationsentwicklung wird nicht mit demselben Tempo weitergehen. Zusätzlich müssen Sie sehen, dass die EZB dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet ist. Das heißt, wenn wir sehen, dass sich die Inflation dauerhaft auf einem höheren Niveau als 2% festsetzen könnte, dann werden wir natürlich ganz entschlossen reagieren. Aber im Moment sehen wir diese Hinweise eben noch nicht.

Wie wollen Sie denn reagieren?

Wir haben natürlich das Instrumentarium, um die Geldpolitik zu straffen. Aber im Moment wäre es ein Fehler, die Zinsen frühzeitig zu erhöhen und damit den Aufschwung zu bremsen. Denn das würde im Wesentlichen zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit führen und würde an der aktuell sehr, sehr hohen Inflation gar nichts mehr ändern können.

Die Erzeugerpreise sind ja ein großes Problem, wie eben gestiegen sind. Rohstoffpreise haben wir angesprochen. Was glauben Sie denn, wann die wieder runtergehen? Denn im Grunde ist das das einzige, was die Verbraucher gerade interessiert.

Die Unsicherheit darüber ist tatsächlich groß. Wir führen regelmäßig Umfragen unter Unternehmen durch. Was wir da hören, ist, dass auch die Unternehmen davon ausgehen, dass diese Engpässe länger anhalten, als ursprünglich gedacht. Manche Branchen gehen sogar davon aus, dass sich das bis weit ins nächste Jahr hineinziehen wird. Aber insgesamt wird das Ganze sich wieder zurückbilden. Wir wissen nicht genau, wie schnell. Die Unsicherheit darüber ist groß, aber alle gehen davon aus, dass es nicht bei diesen hohen Preissteigerungsraten bleibt.

Irgendwann muss es natürlich auch wieder runtergehen, aber ich glaube, man muss noch ein bisschen durchhalten. Das habe ich jetzt herausgehört. Vielen Dank, Professor Schnabel vom EZB Direktorium. Heute veröffentlicht das Statistische Bundesamt die neue Inflationsrate für den Monat November. Vielen Dank und alles Gute für heute.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.

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Europäische Zentralbank

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